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Karacho-Montag

Vorüber – Mohrrübe: ein „r“ hier, zwei „r“ da

Heute mal keine Belehrung im klassischen Sinne, sondern eine kurze Wortbetrachtung. Ich bin ja immer ein Freund von handgeschriebenen Zetteln, und ein solcher fiel mir am nahen Friseursalon auf. Der Kurztext zu dieser kleinen Einlassung findet sich in der Karacho-Box.

Also: Dieser Friseursalon, der mich schon eine ganze Weile mit dem Bedruck „Friseur Stegelitz“ auf sich aufmerksam gemacht hatte, erlitt vor ein paar Wochen einen Wasserschaden. Seitdem wurde alles herausgerissen, wird gefeilt, gesägt und gehämmert, getrocknet und gewartet. Die obligatorischen Coffee-to-go-Becher ruhen auf einem großen Kehrichthaufen. Seitdem hängt auch ein handgeschriebener Zettel an der Tür, der darüber informiert, dass der Salon vorrübergehend geschlossen sei. Der Fehler ist mir aufgefallen. Aber ich konnte ihn eine Zeit lang weder systematisieren noch einordnen.

Gestern stieß ich im grünen Duden („Richtiges und gutes Deutsch“) auf den Eintrag zum Wort dennoch, und dort auf den Hinweis, dass dennoch mit zwei n geschrieben werde, da das Wort nicht mehr als Kompositum anzusehen sei. Ich musste gleich an vorüber denken. Die Bildung mit zwei r beruht auf dem (sicher latenten) Glauben, dass vorüber ein Kompositum aus vor und rüber sei und kommt offenbar gar nicht so selten vor: Google lieferte bei meiner Stichprobe 153.000 Treffer für „vorrüber“ und so tolle Überschriften wie:
„1 Jahr Bastelzeit vorrüber – was nun?“ (unerfüllter Kinderwunsch), „Bis(s) der Mondschein vorrüber geht“ (Vampir-Fanfiction) oder auch „Mein 1jähriger Mops springt auf vorrüber fahrende Fahrzeuge zu“ (Tierforum). Die falsche Schreibung folgt also dem Mohrrübenprinzip: Man mischt zwei Wörter bzw. setzt sie zusammen. Vorüber wird aus vor und über (nicht rüber) gebildet und stand im 16. Jahrhundert gleichbedeutend neben fürüber, nachzulesen im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, Eintrag „vorüber“.

Ähnlich ging es mir übrigens im ersten Abschnitt mit dem Wort Kehrichthaufen. Das zweite r war aber genauso plötzlich weg, wie es gekommen war. Schließlich meint der Begriff nicht einen zusammengekehrten Richthaufen, sondern kommt von Kehren, „Kehrich“ bzw. kehrig. Analog dazu wurden sogar fegicht und spülicht gebildet.

Karenz und korrekt dagegen werden jeweils so geschrieben, weil sie auf lateinische Grundformen zurückgehen. Kein Mohrrübenprinzip also. Und überhaupt: Das große Ganze richtiger Wortschreibungen lässt sich nur selten in Regeln fassen. Vieles muss man auswendig lernen und kennen, anders geht es nicht. Der Friseursalon ist – mit oder ohne Fehler – ja leider immer noch geschlossen. Aber vielleicht hilft ein straffender Gang zur Kosmetikerin?

Harte Fakten: Die Zusammenfassung am Karacho-Montag

Vorüber mit einem r wird aus vor und über gebildet.
Mohrrübe ist ein Kompositum aus Möhre und Rübe. Darum mit zwei r.
Dennoch
wird nicht mehr als Kompositum betrachtet, daher zwei n, nicht drei.
Kehricht mit einem r: der Begriff ist von der Tätigkeit Kehren abgeleitet.

 

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