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Blütenlese

Warum man „geschlossene“ Lokale ohne schlechtes Gewissen aufsuchen darf

Anführungszeichen werfen in der Rechtschreibwelt lange Schatten. Oder vielleicht sogar Halbschatten, wenn ich recht darüber nachdenke. Und damit meine ich keineswegs nur die halben Anführungen. Dass es in wissenschaftlichen Arbeiten häufig drunter und drüber geht, habe ich ja schon in einem anderen Beitrag gezeigt. Und auch in Romanen grassiert die Liebe zu halben Anführungszeichen, um ein bestimmtes Wort auszuzeichnen. In dieses Durcheinander treten nun noch diejenigen, die Anführungsstriche im öffentlichen Raum einsetzen. Die Zuneigung zum Besucher führt unter anderem zu einer übermäßigen Verwendung falsch gesetzter Anführungszeichen. Und die haben das Zeug dazu, typografisch Versierte in den Wahnsinn zu treiben.

Ironie, Wortspiel, Übertragung – in der Werbung möglich, in Informationen unüblich

Kennzeichnen die Anführungsstriche in Hausarbeiten Zitate und in der Literatur die wörtliche Rede, sind sie auf Informationstafeln meist nur als Hervorhebung denkbar. Denn wenn sie einzelne Wörter, die Namen, Titel, Marken oder Ähnliches sein können, nicht hervorheben, dann markieren sie sie als ungewöhnlich. Ironie, Übertragung, Wortspiel – das sind die Kategorien, in denen sich die Anführungszeichen dann bewegen. Dann kann man schreiben: „Dort gab es echten ‚Service‘. 1 von 5 Sternen.“ Oder man lobt den „innovativen“ Küchenchef, der Schnitzel und Buletten brät. Für eine sachliche Information mit einem Wort, das keine besondere Eigenheit aufweist, also absolut unbrauchbar.

Trügerischer Ruhetag im Wirtshaus „Zum Gänsefüßchen“

Und doch: „Geschlossen.“ Also eigentlich auf. Oder nur „Geschlossen“ für diejenigen, die die Bedeutung von Anführungszeichen nicht kennen? Vielleicht ein Typografiestammtisch, ein Geheimzirkel, eine Loge der Zeichensetzung, der nur Gäste mit geschultem Auge einlassen will? Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich einfach falsch gesetzte Anführungszeichen. Schmecken kann’s ja trotzdem.

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