Dicht und Dichter sind zunächst beides gebräuchliche Wörter, jemand ist „total dicht“, wenn er betrunken oder auf Drogen ist, der Dichter schreibt eben Gedichte. Beide zusammenzubringen ist sprachlich reizvoll, weil Dichter als Steigerungsform von dicht einen Kreuzverweis herstellt („nur Goethe war Dichter“), dabei aber ohne Augenzwinkerei auskommt. Keines der Worte muss verändert werden, jedes kann genuin auftreten und wird erst durch den Kontext eingebettet. In diesem werden zwei scheinbar völlig konträre Gruppen zusammengebracht. Es geht um Distinktionen, also ein Rangempfinden zwischen hoch und niedrig, auf der einen Seite steht der ernste Intellekt, auf der anderen Seite der ungezügelte Hedonismus. Die Werbung appelliert hier nicht an potenzielle Kunden, sie stellt vielmehr dar: Sie zählt nur auf, was es (wahrscheinlich durchaus) wirklich gibt. Das ist umso eindrucksvoller, als dass es zwei anderen Werbeanzeigen nicht gelingt.
Edeka: Politik, Wirtschaft, Kriminalität – und am Ende doch nur Obst
Edeka hat sich einen Namen gemacht in der Werbewelt, die Anzeige „Käuflich und erpressbar“ finde ich allerdings nicht gelungen. Dies liegt zunächst an der rein sprachlich schiefen Ebene. Mit den Adjektiven käuflich und erpressbar wird ein Hintergrund von Kriminalität, Wirtschaft und Politik evoziert. Zugleich bildet das Edeka-Angebot für diese Wörter aber einen Rahmen, in dem die Wörter neutral und gesetzeskonform erscheinen sollen. Beide Wörter sind allerdings im Supermarktkontext eher ungeläufig bzw. werden nicht in den konkreten Situationen angewendet. Niemand fragt vor dem Regal, ob eine Sache „käuflich zu erwerben“ sei. Und niemand würde sagen: „Dieses Obst ist erpressbar“. Man würde nicht mal sagen: pressbar. Der Witz ist also ganz schön um die Ecke gedacht, was bei großen Kunstwerken gut ist, nicht aber bei Werbung. Die Aussage lautet: Ich kann bei Edeka Obst erwerben, das ich danach in einer Saftpresse ausquetschen kann. So what. Kann ich das nicht mit jedem Obst? Warum sollte ich dafür zu Edeka gehen? Zumal der Politik-, Mafia- und Skandalkontext überhaupt nicht verfängt.
Taxi: Ich störe mich vor allem an einem Kunstwort
Das letzte Beispiel arbeitet sehr stark mit Sprache. Vier Wörter werden untereinander aufgereiht: Späti, Party, Frühi, Taxi. Der Ansatz, hier den Abend mit wenigen Wörtern in einer typischen Chronologie ablaufen zu lassen, funktioniert. Die große Botschaft kommt an. Ich habe allerdings ein Problem mit dem Wort „Frühi“. Natürlich reiht es sich gut ein, es passt an sich vor allem lautlich dahin. Aber der Vergleich ist der Anfang allen Übels: Und wenn ich vergleiche, dann sehe ich, dass die BVG-Werbung diesen Taschenspielertrick nicht braucht. Niemand sagt: Frühi. Die Reihung ist auch dahingehend schwierig, dass nur Späti ein Kunstwort ist, eine liebevolle Verknappung des Wortes Spätkauf. Taxi und Party sind zwar lautlich ähnlich, aber sie sind eben keine Abkürzungswörter. Zudem fügt Frühi in der Abkürzung etwas hinzu, während Späti ja vor allem Wortlänge einspart. Es scheint mir ein Zeichen von Mündlichkeit zu sein, dass man nicht ohne Not Wörter erweitert. Der Umfang des Gesprochenen kann sich durch Einschübe, durch Interjektionen erweitern. Aber wenn ich früh aufstehen muss, sage ich niemandem, dass es heute „frühi“ war.
Akkurat zum Hintersinn
Werbung muss fast immer um die Ecke denken, wenn sie gut sein will. Sprache ist fast immer ein elementares Mittel, um die Botschaft zu den Verbrauchern zu bringen. Meiner Meinung nach funktionieren Wörter und Sätze umso besser, je natürlicher sie sich einfügen und je mehr sie, trotz eines völlig regelrechten, üblichen Gebrauchs, beim Konsumenten ein Denken um die Ecke provozieren, ohne dabei selbst ungelenk zu sein.
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