In der Kürze liegt die Würze. Stimmt das immer?
Nein, das kann man so nicht sagen. Denn nichts ist per se falsch an langen Sätzen. Aber in vielen Medien und für viele Zielgruppen funktionieren kürzere Sätze einfach besser. Warum das so ist? Nun ja, gerade im Internet lesen viele Menschen nicht aus Genuss, es geht nicht darum, sich lange und eingehend mit einem Text zu beschäftigen. Meist will man etwas lernen oder schnell eine Sache in Erfahrung bringen. Und dafür bieten sich Texte voller kurzer, prägnanter Sätze geradezu an. Ich gebe Ihnen ein Beispiel.
Der Zeuge war sich sicher, dass er den Angeklagten dabei beobachtet hatte, wie dieser durch ein Fenster gestiegen war, um etliche Dinge zu stehlen, darunter auch einen Fernseher und einen Computer, was durchaus anstrengend zu transportieren war.
Vermutlich ist es Ihnen auf Anhieb nicht ganz leicht gefallen, das alles zu lesen und zu verstehen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Satz zwar Informationen vermitteln will, aber viel zu viel auf einmal transportiert. Es gibt verschiedene Subjekte, Objekte und Handlungen. Außerdem schließen sich viele Nebensätze kettenartig an Hauptsätze an. Durch kurze Sätze lässt sich dies alles aufschlüsseln, sodass der Text schneller und leicht lesbar ist.
Der Zeuge war sich sicher: Er hatte den Angeklagten bei einem Einbruch beobachtet. Der Angeklagte war durch ein Fenster gestiegen und hatte etliche Dinge gestohlen. Das Diebesgut war dabei durchaus sperrig, es umfasste unter anderem einen Fernseher und einen Computer.
Kurze Sätze: Von Sinnpäckchen und Satzmelodien
Der Clou ist, dass man mit solchen kurzen Sätzen „Sinnpäckchen“ schnüren kann. Man lenkt den Blick des Zeugen auf den Angeklagten. Dann beschreibt man, was der Angeklagte getan hat. Danach kann man das Ergebnis seiner Handlungen vorstellen. Es wird damit auch leichter, dem Geschriebenen zu folgen. Gleichzeitig kann es dadurch hin und wieder zu Wiederholungen kommen, was bis zu einem gewissen Grad aber kein Problem ist.
Wichtig bei kurzen Sätzen ist darüber hinaus, auf die Satzmelodie zu achten. Es sollten sich nicht nur Hauptsätze aneinanderreihen, weil der Text sonst schnell monoton klingt und wenig ansprechend zu lesen ist. Hier bieten sich Wechsel an, wobei in der Regel ein Nebensatz pro Hauptsatz optimal ist. Im Zweifel lohnt es sich, den Absatz einfach einmal laut vorzulesen. Was komisch klingt, ist meist auch komisch zu lesen.
Monoton liest sich zum Beispiel diese Abfolge von Sätzen: Ich gehe in den Laden. Dort kaufe ich Milch ein. Ich bezahle die Milch. Ich verlasse das Geschäft. Besser geht es so: Ich gehe in den Laden, um Milch zu kaufen. Nachdem ich bezahlt habe, verlasse ich das Geschäft.
Struktur ist alles
Kurze Sätze sind also besonders im Internet ein Segen für die Leserschaft. Gemeinsam mit Zwischenüberschriften und Absätzen können sie hervorragend dafür genutzt werden, um Texte zu strukturieren und gut lesbare und leicht verständliche „Sinnpäckchen“ zu schnüren. Und das Beste: Meist wird dadurch auch die Kommasetzung erheblich vereinfacht.
Dabei kommt es natürlich auch immer auf das Medium und die Zielgruppe an. Romane können zum Beispiel ganz bewusst das Mittel ellenlanger Sätze wählen – ob das glückt und dem Text dienlich ist, steht allerdings auf einem anderen Blatt.
Titelbild von Jackson Simmer auf Unsplash
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