Infinitivgruppen und Kommas
Der Vorgang, Infinitivgruppen mit Kommas abzutrennen, orientiert sich im Kern ein bisschen am ganz frühen Werbeverhalten in Liebesdingen: dem Zettelchen mit Ankreuzmöglichkeit. Mit den drei möglichen populären Antwortkästchen Ja, Nein, Vielleicht kommt man auch bei den Infinitiven weiter. Weiß nicht ist zumindest in diesem Beitrag keine Option.
Komma beim Infinitiv mit zu: Ja, ich will ein Komma bei Infinitivgruppen setzen
Infinitivgruppen, die durch ein Komma abgetrennt werden müssen, werden durch als, anstatt, außer, um, ohne, statt eingeleitet. „Ich ging lieber ins Kino, statt etwas über Kommas zu lesen.“ Auch Verbindungen mit einem Substantiv fordern ein Komma: „Es bereitet mir Kummer, dir zuzuhören. Mein Wunsch ist, dich zu verlassen.“
Schließlich gibt es auch hinweisende Wörter, die den Infinitiv ankündigen oder wiederaufnehmen. Auch diese Verbindungen werden mit Kommas abgetrennt. Natürlich denke ich daran, dir morgen zu schreiben. Es macht mir nichts aus, auf dich zu warten. Auf dich zu warten, das ist mein größtes Vergnügen. (Hinweisende Wörter sind u. a.: daran, darum, darauf; es, das, dies.) In all diesen Fällen steht verpflichtend ein Komma vor dem Infinitiv mit zu.
Infinitiv mit zu: Nein, ich will kein Komma setzen
Es gibt auch Fälle, in denen kein Komma gesetzt werden darf.
Dies betrifft zum Beispiel Sätze, in denen die Infinitivgruppe in eine verbale Klammer einbezogen ist: Er hat nicht anzurufen gewagt. Ich will dir dieses Beispiel zu erläutern versuchen. Ebenfalls kein Komma setzt man, wenn ein Hauptsatz umschlossen wird. Dies geschieht bei der sogenannten Spitzenstellung. Aus dem Satz Ich bitte Sie[,] mir dieses Geld zu überweisen wird in Spitzenstellung: Dieses Geld bitte ich Sie mir zu überweisen. Die Spitzenstellung findet sich häufig in Geschäftsbriefen und wirkt relativ steif. Auch bei Verschränkung mit dem Begleitsatz wird kein Komma gesetzt. Also: Er wagte nicht[,] das Auto zu nehmen aber Er wagte das Auto nicht zu nehmen.
Hängt der Infinitiv von einem Hilfsverb ab, wird ebenfalls kein Komma gesetzt, denn die Verbindung bildet das Prädikat des übergeordneten Satzes. Dies betrifft Verben wie sein, pflegen, brauchen, haben, scheinen; sowie drohen (Gefahr laufen) und versprechen (den Anschein erwecken), vermögen, verstehen und wissen (im Sinne von können). Er war nicht einzuschüchtern. Wir haben zu danken. Er schien kein Interesse zu haben. Er drohte abzustürzen. Ich vermochte es nicht zu verhindern. Mit anderen Verben wie anfangen, aufhören, bitten, denken, fürchten etc. kommen wir übrigens direkt zum dritten und letzten Kästchen.
Ich will … vielleicht … ein Komma setzen …?
Bei anfangen und den anderen Verben ist nicht klar, ob sie sich der Infinitivgruppe als Hilfs- oder Vollverben anschließen. Darum ist die Kommasetzung freigestellt. Man entscheidet danach, ob man die Personalform als eigenständig ansieht (mit Komma) oder die enge Zusammengehörigkeit von Personalform und Infinitiv betont: Lass uns anfangen ihn zu suchen. oder Lass uns anfangen, ihn zu suchen.
Generell gilt diese Freiheit der Kommasetzung für alle bloßen Infinitive mit zu. Kommas sollte man setzen, um Sätze zu strukturieren oder (vorübergehende) Missverständnisse beim Lesen zu vermeiden. Dabei ist auch Länge der Wortgruppe entscheidend. Ich beschloss[,] zu gehen. Aber: Ich beschloss, mit meinen vielen Freunden noch auf ein paar wenige Bierchen und Erdnüsse in unsere Lieblingspilskneipe zu gehen.
Wie im Kommentar durch „Klausens“ bemerkt, sind die Kommas im folgenden Satz verpflichtend (ich hatte sie zuerst als optional dargestellt), da die Infinitivgruppe von einem Substantiv abhängt: Sein Wunsch, mich zu sehen, war maßlos. Ist die Infinitivgruppe eingeschoben, muss man darauf achten, entweder beide Kommas oder gar keins zu setzen. Dazu habe ich auch schon etwas in einem anderen Beitrag geschrieben.
Im Einleitungstext des Deutschlandfunks wäre ein Komma – an sich – günstig, damit man beim Lesen nicht stolpert: Es käme derzeit gut an, sich … Schließlich legen journalistische wie auch Werbetexte Wert auf Verständlichkeit und gute Lesbarkeit. Zwingend ist das Komma natürlich trotzdem nicht.
Häufig bieten Infinitivgruppen also die Möglichkeit, sich bei der Kommasetzung ganz frei zu entfalten. Man muss gar nicht fest zu- oder absagen. Und Menschen, die ganz klare Nein-Regeln wollen, könnten die Nichtkommasetzung durch bestimmte Wortstellungen oder die Abhängigkeit von Hilfsverben sogar gezielt herbeiführen. Explizit werden Kommas hingegen bei hinweisenden Wörtern oder Subjektivbezug gesetzt. Bloß ob man das alles im Kopf behalten kann und will? Genau wie es die Zettelwirtschaft in Liebesdingen war, kann es sehr hin und wieder sehr anstrengend sein, beim Infinitiv mit zu ein Komma. Nachschauen lohnt sich immer wieder.
Auf einen Blick
Komma bei Infinitiv mit zu zwingend: Bei einleitenden Wörtern wie als, anstatt, außer, um, ohne, statt, bei hinweisenden Wörtern der Einleitung oder Wiederaufnahme – daran, darum, darauf, es, das, dies – und bei Substantivbezug. Er versagte, anstatt zu überzeugen. Sie dachte nicht im Traum daran, zu erscheinen. Es ist mein Wunsch, bei dir zu sein.
Kein Komma bei Infinitiv mit zu: Bei bestimmten Wortstellungen: (1) Verbale Klammer, (2) Spitzenstellung, (3) Verschränkung mit dem Begleitsatz: (1) Sie hat nicht zu singen verstanden. (2) Den Brief beschloss er sofort zu versenden. (3) Sie wagte den Brief nicht zu versenden.
Bei Abhängigkeit von bestimmten Hilfsverben (sein, haben, brauchen, pflegen, scheinen) und der Wendung es gibt. Wir brauchen sie nicht anzurufen. Es gibt nicht genug zu tun.
Infinitiv-Komma fakultativ: Bei allen einfachen Infinitivformen mit zu. Man setzt Kommas, um Missverständnisse zu vermeiden oder Sätze zu strukturieren, insbesondere bei langen Wortgruppen. Also: Ich freue mich später Bier zu trinken. Ich freue mich, später in meiner Lieblingskneipe in der Wiclefstraße mit meinen Freunden Ole, Klaus und Heidi bei guter Musik Bier zu trinken.
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